Reports

Atemlos durch den Märchenwald – das Musical „Verhext“ der Theatergruppe Assenheim

„Verhext“ hieß die neuste MuAschenputtelsical-Produktion der Theatergruppe Assenheim e.V., an der unsere Nachwuchsreporterin Summer Lee Vornwald dieser Tage mitgewirkt hat. Auf all jene, die sich noch ein Ticket ergattern konnten – die noch ausstehenden Vorstellungen waren bis auf eine Sonntagsvorstellung am 06.12.2015 restlos ausverkauft – warteten zwei überaus unterhaltsame Stunden, in denen es viel zu lachen gab und die märchenhaft schnell vergingen. Die spielfreudige starke Truppe hatte sich nach der „Schneekönigin“ im letzten Jahr den Hollywood-Film „Into The Woods“ zum Vorbild genommen, aber etliche Figuren und ein neues Script dazu gedichtet. Das Ergebnis konnte sich sehen und hören lassen.

Seit dem Sommer hattBäckerInnene die 40 starke Schauspielgruppe mit ihrem Regisseur Norbert Deforth, dem 16köpfigen Orchester, den KulissenbauerInnen, BühnenbildnerInnen, Kostümschneiderinnen usw. an unzähligen Wochenenden am Musical gearbeitet, an Dialogen gefeilt (Script: Saskia Deforth und Markus Wedde), Choreografien eingeübt und vieles mehr. Was dabei herauskam, hat mit amateurhaftem Provinztheater nichts mehr zu tun – und kann man mit Fug und Recht ambitioniert nennen. Was 1979 als Elterntheater für den Kindergarten begann, ist heute ein (semi-)professionell agierender Verein, dessen Mitwirkende mehrere Generationen umfassen und mit viel Herzblut agieren. Viele sind in das Ensemble regelrecht hineingewachsen und haben schon reichlich Erfahrung erst im Kinder- und Jugendensemble, dann auf der großen TGAss-Bühne gesammelt; manche haben gar in eine Musical-Ausbildung und ins Profifach gewechselt und sind doch wieder zu ihren Ursprüngen zurückgekehrt und wirken nach wie vor an den Aufführungen mit. Jedes Jahr gibt es eine „kleine“ Aufführung des Nachwuchs-Ensembles im Juli und eine „große“ Aufführung im Dezember. Nun also „Verhext“.

FuchsKaterZwei originelle Erzählerinnen, die Wahrsagerin Groda und ihre „Chefin“ Willa, scheinen einem märchenhaften Schaustellergewerbe entsprungen und führen mit viel Witz durch die Handlung des Stücks. Buchstäblich führen sie das Publikum in das Setting der verschiedenen Grimmschen Märchen ein, die im Stück munter miteinander verwoben werden: die Kulisse zeigt ein überdimensioniertes Bücherregal mit drei riesigen Toren, die wahlweise geöffnet werden, um die Handlung voranzutreiben. Da ist zuerst einmal Aschenputtel, die von ihrer Stiefmutter und ihren Stiefschwestern drangsaliert und nicht auf den Ball gelassen wird. Ihr zu Hilfe kommen sechs zuckersüße Täubchen. Mit federleichten kleinen Tanzeinlagen und natürlichem Spiel eilen sie ihr im Laufe des Stücks immer wieder zu Hilfe und ermutigen sie energisch, ihr Glück zu versuchen. Als zweites Märchen folgt „Hans und die Bohnenranke“, in dem nicht Hans, sondern das Mädchen Else mit der Kuh Milchweiß (mit einem vor den Bauch geschnallten Euter) auf den Markt geschickt wird, um diese zu verkaufen und die Familie aus der Not zu befreien.

Rotkäppcheb-Summer3Weitere Akteure sind ein Bäckerspaar, das sich sehnlichst ein Kind wünscht; das anfangs noch munter umherhüpfende, später zunehmend wütend agierende Rotkäppchen, das zur Großmutter will, sehr wehrhaft ist (sie kann Karate) und von der MELODITA-Redakteurin Summer Lee Vornwald gespielt wird; eine hungrige Wolfsfamilie, deren Familienoberhaupt mit sagenhafter Reibeisen-Stimme überzeugt; Rapunzel und ihr Prinz (der erst kurz vor den Aufführungen für den eigentlichen, verletzten Darsteller eingesprungen war); eine Hexe, die vom bösen Zauberer Gachnar verflucht wurde, und ihre

Rotkäppchen-Summer

agilen Gehilfen Reineke Fuchs und der gestiefelte Kater; ein knotteriges Rumpelstilzchen, das dem bösen Zauberer zu dienen hat; und last but not least: eine Handvoll Bäume mit ganz eigenen Charaktereigenschaften. Der eine glänzt mit tuntigen Choreos, der andere sorgt sich um die Bakterien, die die vielen Eindringlinge in „seinen“ Wald bringen, der dritte redet extrem cool, usw.

Der Haupthandlungsstrang ist schnell klar: alle gehen in den Wald und gleich mehrere Akteure suchen dieselben Gegenstände; das rote Cape des Rotkäppchens, das abgeschnittene Haar von Rapunzel, die Kuh Milchweiß und den goldenen Aschenputtel-Schuh. Das Bäckerspaar erhofft sich davon das lang ersehnte Kind, die verfluchte Hexe die Erlösung und Gachnar den Erhalt seiner Macht.

BäumeBis das Happyend für alle eingeläutet wird, gibt es Tanzeinlagen von Bäumen, die zu Cheerleadern werden, ein Baguette-Ballett, witzige Adaptionen von „Atemlos“, „Bleib doch bis zum Frühstück“ und „Girls, Girls, Girls“, Prinzenduelle und vieles mehr. Das gut eingespielte, sehr dynamisch agierende Orchester, tolle Stimmen, charmante Figuren, abwechslungsreiche Choreografien und ein flottes Tempo sind weitere Ingredienzen, die zur gelungenen Inszenierung beitragen. Eine professionelle Ton- Licht- und Bühnentechnik (Firma „Satis&fy“ aus Karben) sorgt im edlen Dolce Theater in Bad Nauheim für gelungene Effekte, dramatisches Licht und perfekten Sound. Dass das Publikum sich zwei Stunden lang bestens amüsiert hat, zeigt sich auch im begeisterten Applaus und der eingeforderten Zugabe – das hat sich die sympathische Truppe redlich verdient.

Übrigens: Die Theatergruppe Assenheim sucht noch erwachsene SchauspielerInnen und Orchestermitglieder sowie Verstärkung bei Technik, Bühnenbau und Kostümwerkstatt. Abgesehen vom Orchesterbereich werden keine Vorkenntnisse benötigt; die Mitglieder bekommen professionellen Schauspiel-, Tanz-, Gesangs- und Musikunterricht. Infos: Norbert Deforth, norbert.deforth@tgass.de, www.tgass.de

(Alle Fotos: Rolf Braun, außer Fotos Rotkäppchen: Monika Flur)

(ms)