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Ausflug #10: BOY @ W-Festival 25.05.2017

„Der Albumtitel, wie auch der gleichnamige Song „We Were Here“ ist eine Hymne an die Unvergänglichkeit wertvoller Momente und zwischenmenschlicher Begegnungen“ heißt es im Info der Plattenfirma Grönland Records über das Duo BOY. Wertvolle Momente, ja, einen ganzen zauberhaften Abend schenkten Boy einem gut gelaunten Publikum, das bei schönstem Sommerwetter zu ihrem Konzert in die ehrwürdige Frankfurter Alte Oper gekommen war. Boy, das sind die Sängerin und Songschreiberin Valeska Steiner aus Zürich und die Hamburgerin Sonja Glass (Git/Cello/Voc), die seit 2007 zusammen Musik machen und live von zwei weiteren Bandkollegen (einer Hälfte der Hamburger Band „Fotos“ an weiteren Gitarren und Keyboard) unterstützt werden.

Für ihr Konzert im Rahmen des W-Festivals hatten sie sich das Kaiser Quartett (Foto) aus Hamburg dazu geladen, vier Herren im grauen Anzug, die mich ungewollt an die grauen Herren bei Momo erinnerten, aber mit ihren Streichern eine sehr schöne Chamber-Pop Note beisteuerten. Valeska Steiner erzählte gleich zu Beginn, dass ein Freund eines Tages die Idee hatte, dem Qartett den Song „New York“ zu schicken, dass sie es für Streichquartett arrangierten. Was dabei herauskam, war für die beiden so überzeugend, dass sie sie nach Frankfurt einluden. Den Abend über sollten sie bei ungefähr der Hälfte der Stücke mit auf der Bühne sein und dazu beitragen, dass es ein überaus abwechslungsreicher Abend wird.

Die Songs, die die insgesamt acht MusikerInnen an diesem Abend performten, stammen zum einen vom ersten Album „Mutual Friends“ (2011), mit dem sie eine Goldene Schallplatte und den Künstlerpreis HANS gewannen, und es sogar bis nach Japan schafften. Nach einer ausverkauften Akustiktournee durch Nordamerika kam „We Were Here“ (2015) heraus, von dem sie an diesem Abend ebenfalls viele Songs spielten. Dass Boy-Songs gemeinhin in den Charts landen, wundert mich an diesem Abend gar nicht mehr. Nicht, weil sie so eingängig und mainstreamig wären – nein, die beiden schreiben einfach richtig gute Songs!

Sonja Glass, die im Übrigen auch hervorragend Bass spielt, ist für die Musik verantwortlich und schickt ihre Melodien in der Regel an Steiner weiter, die die Texte beisteuert. „Wir besprechen alles, jedes Wort, jeden Ton“, wird Glass in einem Interview zitiert. Steiner‘s englische Lyrics sind einprägsam, erzeugen im Nu charmant-melancholische Atmosphären, und auch wenn sie von Angst und Enttäuschung singt, klingen die Lieder hoffnungsfroh und licht. Alles darf sein, „schlechte“ Erfahrungen machen einen weise, scheinen die beiden uns zuzuraunen.

Man kann sich wiederfinden in diesen Liedern, verlieren, wie im Song „Skin“ über verlorene Seelen, die sich ins Partygewühl stürzen und doch einsam zurückbleiben: „you can get out of this party dress but you can’t get out of this skin“. In „Waitress“ singt sie von ihrer Zeit als Kellnerin, wie sie darauf gewartet, dass endlich etwas Wichtiges passiert. „Hit My Heart“ erzählt von der tiefen Sehnsucht, berührt zu werden. Es sind grandiose Momentaufnahmen, die sofort ein Kopfkino erzeugen, von einer ungemein sensiblen Band in Szene gesetzt. Mal klingt es indiepop-mäßig, der Gesang hallt mit enorm viel Wucht durch die riesige Konzerthalle, dann wieder wird es intim, wenn die acht MusikerInnen auf ein Trio zusammen schrumpfen. „Playground Love“ ist so ein berührendes und intimes Stück, in dem Glass Cello spielt. Nach dem offiziellen letzten Lied „Little Numbers“ – der als Song so stark ist, das man ihn trotz tausendmaligem Hören in diversen Werbe-Jingles immer noch gut hören kann – folgen mehrere Zugaben und standing ovations von einem total begeisterten Publikum.

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(ms)