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Ausflug #13: Kinga Głyk @ W-Festival 11.05.2018

Das Konzert des polnischen Kinga Głyk Trios war die letzte Veranstaltung des W-Festivals und lud das Publikum in die angenehme Atmosphäre des Bad Homburger Speichers ein. In der zweiten Reihe und damit schön weit vorn platziert, warteten wir auf den Beginn des Konzerts. Wir waren sehr gespannt auf die junge Bassistin, denn obschon sie erst 20 ist, gilt sie als DER neue Shooting Star in der Jazzszene und ist in diesem Jahr auf allen wichtigen Jazzfestivals vertreten.

Seit sie 12 ist, steht sie mit ihrem Familientrio auf der Bühne, veröffentlichte zwei Alben. Doch erst das Internet machte sie binnen kurzer Zeit zum Star, als sie 2016 ihr Video von „Tears In Heaven“ ins Netz stellte. Es wurde 20 Million Mal angeklickt, ging regelrecht durch die Decke. Presse und Publikum überschlagen sich seitdem und betiteln sie als „neues Wunder am Jazzbass“.

Das erste, was Kinga Głyk macht, als sie auf die Bühne kommt, ist überaus sympathisch ihre Band vorzustellen: ihren Vater Irek am Schlagzeug, den sie sehr schätzt, sowie Rafal Stepien am Piano. Dann starten die drei schon zu ihrem furiosen Auftakt durch und geben Vollgas. Schon beim ersten Stück brennt sozusagen „die Hütte“ und ich frage mich, wie das Trio das noch steigern will. Im nächsten Stück, der Ballade „Hope“, thematisiert sie ihre Beziehung zu Gott. Es beginnt mit einem wunderschönen Intro des Pianisten am Flügel. Zu seinen perlenden Klängen kommt eine butterweiche Bass-Melodie, ein sehnsüchtiges Solo. Auch das dritte Stück „New“ beginnt mit einem langen Solo, diesmal vom Schlagzeug. Ein Lied im Weather Report-/Pastorius Style spielt sie auf dem Boden sitzend, es klingt, als spielten die drei gleichsam am Gehirn vorbei, so rasend schnell fliegen die Töne durch den Raum. Das nächste Stück „Dream“, das Titellied ihres im Oktober letzten Jahres veröffentlichten Albums „Dream“, wirkt sehnsüchtig und verzaubernd und lädt ein, in die warmen Bassklänge eintauchen.

Kinga Głyk hat eine sympathische und charmante unaufgeregte Art, sie ist überhaupt nicht arrogant oder abgehoben. Im Trio agieren alle trotz des Altersunterschieds auf Augenhöhe, sind gleichberechtigte Mitglieder, die sich nicht in den Vordergrund spielen, obgleich sie viel Raum für Improvisationen und Soli bekommen. Gegen Ende macht Głyk etwas, was ich bei Jazzkonzerten noch nicht erlebt habe: sie bezieht das Publikum ein und lässt es eine Bassmelodie nachsingen. In Call and Response-Manier geht es weiter und wir dürfen sogar in zwei Gruppen verschiedene Melodien singen, zu denen die Band spielt. Das Publikum macht begeistert mit. Bei den Zugaben tritt dann noch eine cheesy Hammondorgel in Aktion. Das letzte Wort bekommt aber die junge Bassistin: als allerletzte Zugabe spielt sie „Tears In Heaven“. Wir finden, Kinga Głyk hat die vielen Lorbeeren verdient und wird zu Recht als neues Basswunder bezeichnet. Dass sie trotzdem am Boden geblieben ist und, statt Starallüren zu entwickeln, ihre Leidenschaft für die Musik und den Jazz mit den Menschen teilt, ist noch ein Grund mehr, sich ein Konzert von ihr anzusehen. Sie wird den Jazz sicherlich jünger und hipper machen.

Aktuelle CD „Dream“ (2017)

01.06.18          Hamburg, Elbjazz Festival
23.06.18          Bingen, Bingen Swingt Festival
12.07.18          Jena, Festival
13.07.18          München–Unterföhring, Bürgerhaus
14.07.18          Elmau, Schloss
20.07.18          Crailsheim, 23. Crailsheimer Kulturwochenende
21.07.18          Würzburg, Hafensommer

 

Infos

(ms)