Gleich zwei meiner Lieblingsbands an einem Abend gab es beim Women Of The World Festival in Frankfurt zu erleben: die niederländische Künstlerin Kovacs und die Singer-/Songwriterin Alin Coen aus Hamburg. Meine Reporterkollegin Mira und ich suchten uns einen schönen Stehplatz in der gut gefüllten Halle der St. Peter Kirche – eine Jugendkulturkirche, die zunehmend auch für hochkarätige Konzerte genutzt wird und eher Industriecharme verströmt denn sakrale Atmosphäre. Ich war sehr gespannt, wie die Musik der beiden Künstlerinnen in diesem „unintimen“ Rahmen wirken würde, da die Kovacs’ Konzerte, die ich im Internet ansehen konnte, eher unplugged vor handverlesenem Publikum waren und ich Alin Coen vor allem für ihre leisen Töne schätze.
Über der Bühne hing bereits ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Kovacs“, und es passte sehr gut zum bombastischen Auftritt der Band um die 24jährige Sängerin mit der Fellkappe. „James Bond“ kam mir schon bei den ersten Takten in den Sinn – diese Frau ist die neue Anwärterin für den nächsten Titelsong, dachte ich mir! Nix von wegen intim oder unplugged. Volle Dröhnung und was das Beste war: mit amtlichem Schlagzeuger und super abgemischt. Überhaupt war der Sound großartig. Die Band, bestehend aus einer Bassistin, einem Schlagzeuger, einem Gitarristen und einem Keyboarder/ Percussionisten sowie einer Geigerin und einer Cellistin, setzte die soulige, tiefe Stimme von Kovacs genial in Szene. Warmes Bühnenlicht kam von auf Alt gemachten Straßenlaternen und zuweilen hüllte Nebel die dunklen Gestalten auf der Bühne ein. Bei einem Song sang sie durch ein altes Telefon, eine geniale Idee, wie meine Kollegin Mira fand.
Kovacs spielte die Songs ihres fangfrischen Debütalbums „Shades Of Black“, dessen Veröffentlichung bei Warner immer weiter nach hinten verschoben worden war, sodass ich nur wenige Songs vorher kannte; lediglich „My Love“ und „Sound Of The Underground“ hatte ich vorher gehört. Die Arrangements sind jedoch so überzeugend und die Songs so eingängig – wenn auch tiefgründig, dass ich sofort völlig hingerissen war. Verglichen mit den Studioaufnahmen kam der Livesound viel besser rüber, viel lebendiger. Mit „dunklem Soul“ und einer Prise Chanson ließe sich ihre Musik wohl am besten beschreiben. Ihre Stimme ist rau und unverwechselbar, auch wenn viele Pressestimmen meinen, sie mit ihren Vorbildern Janis Joplin und Etta James vergleichen zu müssen (wie der Vergleich zu Amy Winehouse zustande kommt, weiß ich allerdings nicht).
Ihre Band bleibt an diesem Abend namenlos, Kovacs stellte sich zu Beginn mit „I’m Kovacs and these are my strangers!“ vor. Doch trotz des opulenten Sounds kam sie alles andere als divenhaft rüber. Sie radebrechte ein wenig auf Englisch ins Mikro, wirkte total authentisch, auf eine sympathische Art wie ein aufgeregter Frischling. Nach einigen Songs sprach sie ins Mikro „It’s really hot in here!“, um sogleich darauf selbstironisch auf ihr Markenzeichen, ihre Fellmütze zu deuten: „It’s probably my own fault…“
Fazit: Kovacs hat uns total überzeugt. Der Veranstaltungsort bot die perfekte Bühne für ihre Musik, die aber im Übrigen auch in intimer Unplugged-Atmosphäre verzaubert. Das Publikum, das wahrscheinlich eher wegen Alin Coen gekommen war, war sichtlich begeistert. Schade nur, dass nach einer knappen Stunde Schluss war und sie die Bühne räumen musste. Wer sie einmal live erleben möchte, sollte sich bei den Line-Ups der großen Sommerfestivals umsehen; sie geht mit ihrer Band auf eine ausgedehnte Sommertour. Auch tummeln sich ihre Songs jetzt schon munter in den Charts. Von Kovacs werden wir jedenfalls noch viel hören, auch wenn ich ein gewisses Bauchgrummeln dabei verspüre. Wer als sensible und selbstkritische Künstlerin so schnell nach oben katapultiert wird, braucht eine gute Betreuung durch Plattenfirma und Management – ob sie das beim Majorlabel Warner bekommt, sei dahin gestellt.
Nach einer kleinen Umbaupause kam Alin Coen mit ihrer Band auf die Bühne. Blöd war jetzt nur, dass die Kovacs- Band ihr Banner ab- und die Coen-Band kein neues hingehängt hatte und so die nüchterne Backsteinwand dahinter zum Vorschein kam. Irgendwie verströmte diese Schulaula-Atmosphäre, aber es wirkte auch beruhigend „down to earth“, als wäre die Deko eben nicht wichtig. Die Singer-/Songwriterin Alin Coen ist ca. zehn Jahre älter und einige Jahre länger als Kovacs im Geschäft, was ihr aber nur ein bisschen anzumerken war. Alles andere als abgebrüht wirkte ihr Auftritt, und sie wirkte sehr lebendig, aber auch ein bisschen zerbrechlich (?) auf der Bühne.
Alin Coen war mir vor allem durch ihr Debütalbum „Wer bist Du?“ von 2010 bekannt, und vor allem ihre leisen Töne waren mir in Erinnerung geblieben, Songperlen wie „Wolken“, „Ich war hier“, „Das letzte Lied“ und „Festhalten“. Diese spielte sie jetzt auch beim Konzert und berührte mich damit noch mehr als auf Platte. Mir war, als sänge sie nur für mich, so intim wirkte die Musik selbst in einem großen „Kirchenschiff“ wie St. Peter. Neben Coen’s wunderbarer Stimme sind mir vor allem die hohen Bass-Melodielinien im Gedächtnis geblieben, die die Musik so unverwechselbar machen.
Doch die Band spielte auch Songs von ihrer zweiten Platte „We’re Not The Ones We Thought We Were“ (2013), die mehr englischsprachige Songs enthält. Da waren Lieder wie „Rifles“ oder „Kites“, die wie schwerelos und sehr atmosphärisch rüberkamen. Coen hatte jedoch sichtlich Spaß auch an den schnelleren, leichtfüßigeren Liedern, spielte schwungvoll Gitarre und Keyboard und groovte auf der Bühne. Es ist faszinierend: ihre Stimme klingt in der englischen Sprache ganz anders, souliger, und sie zeigt mehr Facetten. Mir kommen sofort Katharina Franck und die legendären Rainbirds in den Sinn, die mich in den 80er Jahren sehr begeistert haben.
Fazit: Alin Coen hat uns ebenfalls sehr begeistert. Sie war ungeheuer lebendig und hatte sichtlich Spaß mit ihrer großartigen, zurückhaltenden Band auf der Bühne. Allerdings fiel ihr Konzertprogramm etwas auseinander: ihre deutschsprachigen Songs kommen eher Singer-/Songwritermäßig rüber, sehr zart, tiefgründig, melancholisch, während die englischsprachigen Lieder eher in Richtung Pop und Country gehen und mehr „wums“ haben. Dadurch wirkt es ein wenig unrund, inhomogen. Andererseits zeigt sie so viel mehr Facetten ihres Könnens und ihrer Persönlichkeit.
Infos: http://www.kovacsmusic.com, http://www.alincoen.com
(ms)