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„Es muss die Liebe zur Musik sein“ – Interview mit Jen Majura

Jen Majura, seit 2015 Gitarristin der US-Erfolgsrocker Evanescence, aber auch zunehmend als Solomusikerin bekannt, hat sich mit uns auf der Frankfurter Musikmesse zum MELODITA-Interview getroffen. Lest hier das interessante Interview über Schnarchen im Tourbus, ihre Liebe zum Hardrock und Metal, wie sie sich nach Konzerten erdet und was sie jungen Musikerinnen rät…

Hallo, Jen! Wir freuen uns Dich hier zu sehen und mit Dir ein Interview machen zu dürfen. Könntest Du am Anfang jetzt über deine Anfänge erzählen? Hast Du es relativ leicht geschafft, Dich in der Männerdomäne – Metal UND E-Gitarre – zu behaupten?
Meine Lieblingsfrage: Frauen im männerdominierten Rock- und Metal-Business. Erstens, ich bin als Mädchen auf die Welt gekommen. Ich weiß gar nicht, wie ist es ein Mann zu sein und es ist allerdings schon so, dass wir eine Minderheit sind. Es gibt wenigere Gitarristinnen als Gitarristen. Ich bin aber persönlich der Meinung, es sollte eigentlich völlig egal sein, ob du „Männlein“ oder „Weiblein“ bist, weil wir sind alle Musiker und wir versuchen alle, unsere Musik so gut wie es geht zu machen. Dann ist es egal, ob man weiblich oder männlich ist. Und irgendwann hoffe ich wirklich, dass wir die Emanzipation erreichen. Dass wir sagen können: es ist ein Musiker oder es ist eine Musikerin, ohne dass man ständig auspointen und hervorheben muss – es ist eine weibliche Gitarristin. Ich habe noch nie in meinem Leben gehört, dass jemand sagt: „Oh ein männlicher Gitarrist!“. Emanzipation heißt eigentlich Gleichstellung, d.h. irgendwann werden wir nicht mehr sagen: die „weibliche Gitarristin“, sondern einfach nur sagen „eine Gitarristin“. Und da freu ich mich drauf, das wird irgendwann passieren!

Hast Du weibliche Vorbilder z.B. Deine Mutter oder andere Musikerinnen?
Hui! Ich finde P!nk super stark. Das ist so `ne Power-Frau, die ich mega gut find. Ansonsten sage ich jetzt mal so: die ganzen weiblichen Gitarristinnen – ich habe es grade gesagt „die weiblichen“ Gitarristinnen, Schande über Dich, Jen! – die Gitarristinnen, die heutzutage spielen, sage ich mal, Nita Strauss bei Alice Cooper, (…) Nili Brosh und wie sie nicht alle heißen – wir sind alle Freunde. Wir supporten uns, wir sind in Kontakt und helfen uns gegenseitig, und deshalb: Vorbild weiß ich nicht, ich nenne es lieber Freunde… Freundinnen!

Es gibt mittlerweile viele Frauen, die Gitarre spielen, aber immer noch nicht so viele, die die Position Leadgitarre besetzen und Soli spielen. Kannst Du Dich noch an Dein erstes Gitarrensolo erinnern?
Oh Gott, ich glaube nicht… Doch, doch: „Livin‘ on a Prayer“ von Bon Jovi und ich war ungefähr 8-9 Jahre alt. Das war mein erstes Gitarrensolo, was ich gelernt habe und ich war ganz stolz, als ich es spielen konnte.

Seit wann machst Du Hard Rock/Metal? Deine Anfänge waren doch am Klavier und in der Klassik, dann hast Du aufgehört. Was inspiriert Dich an Rock und Metal?
Also Klavier heißt ja nicht sofort Klassik. Also Amy (Lee) spielt ja auch Klavier und wir sind eigentlich schon ein bisschen rockiger unterwegs. Klavier war der Wunsch meines Vaters. Mein Vater wollte, dass ich Pianistin werde und ich habe gesagt: „nein, ich möchte rocken“. Ich habe von Anfang an im zarten Alter von 6-7 Jahren angefangen, Bon Jovi – ja, ich bin ein Mädchen! – zu hören. Aber mit 10-11 habe ich ziemlich schnell Gitarristen entdeckt wieSteve Vai,Joe Satriani, Nuno Bettencourt und das ging dann immer so weiter, und während alle in meiner Klasse Backstreet Boys gehört haben, habe ich Gitarrenmusik gehört. Die Liebe für Hard Rock war schon immer da und wird auch niemals aufhören. Es erweitert sich jetzt grade so ein bisschen, mein Spektrum an Musik, was ich höre – ich höre auch gerne mal Popmusik oder auch gern mal Klassik – aber das Herz schlägt für Hard Rock und Metal. Ich sag mal so, ich drifte grad noch so ein bisschen in die Prog-Ecke ab, so Fusion-Prog ist grade auch super angenehm für mich zum Hören und die Abwechslung macht’s.

Du bist Profimusikerin seit mehr als 15 Jahren…
Sag das doch nicht so laut, da bin ich ja total alt!


… und bist viel mit bekannten Bands wie Knorkator oder Equilibrum getourt. So allein unter vielen Männern, das stellen wir uns nicht immer leicht vor. Was war deine schlimmste Erinnerung, wenn Du an Dein Tourleben denkst?
Die schlimmste Erinnerung war eine Nacht auf Tour im Tourbus – wir waren drei Bands und Crew auf Europatourne und wir waren alle erkältet und alle haben geschnarcht. Es waren 23 Männer, die geschnarcht haben und ich. Das war das Schlimmste!

Was war Deine schönste?
Jede Show, weil Menschen glücklich zu machen und mit Musik erreichen zu können und die glücklich zu sehen, die Reaktion zu erleben, wie das Publikum auf die Musik reagiert – das kannst du nicht bezahlen, das ist wunderschön!

Jen Majura (2. von links) mit Evanescence

Was magst Du am Tourleben? Wie erdest Du Dich wieder nach anstrengenden Konzerten mit Publikum? Sitzt Du abends im Hotelzimmer und machst Yoga ?
Ich mache Sport auf Tour, mehr als ich zuhause mache, zuhause lebe ich völlig ungesund eigentlich. Ich ernähre mich ganz schlecht von Fast Food und mache keinen Sport, aber auf Tour lebe ich sehr gesund! Ansonsten lebe ich für die Bühne. Erden ist eher nach einer Tour, wenn die dann vorbei ist und ich komme wieder zuhause an und ich kann wieder meine kleinen Kinder in meiner Musikschule unterrichten – das ist für mich erden. Grade eben spielst Du noch ein Konzert vor 30.000 Leuten und morgen sitzt ein kleiner Schüler von Dir und sagt: „Jen, ich kann den Akkord nicht greifen“. Das ist erden und das ist schön!

Das sind zwei ganz verschiedene Welten vielleicht…

Jawohl.

Du hast im letzten Herbst Dein zweites Soloalbum „InZENity“ veröffentlicht, auf dem Du auch singst. Und meine Frage ist: was bedeutet diese Solokarriere für Dich?
Sehr viel, weil mit einer Solokarriere kannst Du zum Ausdruck bringen, was in Dir drin schlummert. Klar,mit Evanescence verfolgen wir den Evanescence-Stil logischerweise, was auch völlig genehm und völlig cool ist. Obwohl wir jetzt mit Synthesis ein bisschen was Neues gemacht haben, mit Orchester und elektronischen Sounds, was super ankam. Wir haben jetzt grade die Tour in London zu Ende gemacht, letzten Montag, dann bin ich direkt vom Flughafen hierher auf die Musikmesse zum Soundcheck geflogen, bis um Mitternacht, dann ins Bett und tot umgefallen. Aber eine Solokarriere… ich sehe es nicht als Solokarriere. Es ist einfach die Kreativität, die in Dir drin schlummert, die jetzt nicht im Stil von Evanescence ist. Da hab ich einfach eine Möglichkeit und `ne Vielfalt, das zum Ausdruck zu bringen. Das ist einfach Freiheit für mich, sehr schön. Ich freu mich, dass das Album so gut ankommt und dass so viele Leute begeistert sind!

Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Ich lebe sehr nach dem Motto: „Ich lebe im Jetzt“. Ich hatte vorher die Frage in einem anderen Interview: „Wo siehst Du Dich in 10 Jahren?“… keine Ahnung, weiß ich nicht, sehen wir dann irgendwann. Aber jetzt momentan lebe ich im Jetzt und ich bin sehr, sehr glücklich und bin sehr, sehr gesegnet, dass ich überhaupt in der Lage bin, das leben zu dürfen, was ich mache. Weil mit Musik heutzutage Geld und seinen Lebensunterhalt zu verdienen ist nicht einfach, es ist ein harter Brocken Arbeit und es ist jahrelange Arbeit. Ich freue mich sehr, dass ich einfach in der Position bin, dass ich das grade machen darf, was ich erleben kann usw. Wir touren grade die Welt, wir spielen die wunderschönsten Hallen mit Evanescence und komme ich nach Hause, hab ich mein Soloalbum… ich bin einfach sehr, sehr glücklich!

Redaktionsteam von li nach re: Luna, Melinda, Saliha

Was würdest Du jungen Musikerinnen raten: was ist wichtig, um an der Musik dranzubleiben?
Der allerwichtigste Rat, den ich immer gebe, ist: „Mach es nicht, weil Du berühmt werden willst, mach es nicht, weil Du reich werden willst! Mach Musik, weil Du Dein Instrument und Musikmachen liebst, das ist das aller, allerwichtigste! Ich gehe nicht zu „The Voice of Germany“ und denk, ich bin morgen Superstar – das funktioniert so nicht. Man sollte wirklich Musik machen, weil man die Liebe für das Instrument oder die Stimme, je nachdem, die Liebe für die Musik hat, weil das soll der Beweggrund sein. Weil dann merkst du auch irgendwann selbst in den schweren Zeiten: ich habe immer noch meine Musik und das ist der Grund, warum ich`s mache. Und das ist definitiv nicht Geld, nicht Jet-Set-Reisen und nicht teure Hotelszimmer, es muss die Liebe zur Musik sein.

Danke Dir, Jen, für das Interview! Wir wünschen Dir alles Gute und viel Erfolg!

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(m)