Judith Beckedorf ist eine der Initiator*innen von MusiSHEans, einer mittlerweile großen Community von Musiker*innen & Musikfans aus aller Welt. Mit dabei sind außerdem Vivek Advani aus Indien und Karlijn Langendijk aus den Niederlanden und zusammen haben sie es sich zur Aufgabe gemacht Musikerinnen zu fördern, wo immer sie können. Gemeinsam mit Christie Lenée (US) und Claire Besson (FR) gehen Judith (DE) und Karlijn ab November auf große Tour durch Europa. Das Besondere dieser Tour: Sie alle sind Gitarristinnen und in jeder Stadt bieten sie lokalen Nachwuchs-Musikerinnen* die Möglichkeit die Shows für sie zu eröffnen. Wir hatten nun die Möglichkeit mit Judith Beckendorf vorab zu sprechen und noch ein bisschen über sie und die MusiSHEans zu erfahren.
Wie kam die Idee zustande, gemeinsam mit Christie Lenée, Karlijn Langendijk und Claire Besson auf Tour zu gehen?
Ich hatte am Anfang die Idee, eine Tour mit nur Gitaristinnen zu machen und hab da als erstes Karlijn Langendijk (NL) gefragt, die ich aus Dresden kenne, und die hatte sofort Lust und hat es ihrem indischen Freund Vivek Advani erzählt. Er hatte die Idee, daraus ein ganzes Netzwerk zu machen. So ist aus einer Tour das Netzwerk geworden. Als wir überlegt haben, wen wir noch einladen, wollten wir einfach mal was richtig Cooles machen und haben uns dazu entschieden – auch wenn es teurer und komplizierter ist – Christie Lenée aus den USA einzuladen. Für sie wird es die erste Tour durch Europa sein. Christie hat dann ein ganz tolles Gig-Angebot bekommen bei unser aller „Gitarrenheld“ Tommy Emmanuel. Bei ihm wird sie vier Konzerte lang im Vorprogramm sein, was leider während unserer Tour ist. Deswegen haben wir daraufhin Claire Besson (F) für einige Konzerte eingeladen.
Wie kamt ihr darauf, nur Nachwuchs-Musikerinnen als Voracts zu buchen?
Die Idee, Nachwuchsmusikerinnen* als Voracts zu buchen, kam erst später. Wir überlegen kontinuierlich, was wir tun können, um Musikerinnen* zu unterstützen, so kam uns die Idee, dass wir doch auf unseren Konzerten einfach jungen Musikerinnen* für kleines Geld die Gelegenheit geben können, vor etwas größerem Publikum zu spielen. Da haben wir jetzt auch schon ein paar ganz tolle Ladies gefunden und freuen uns aber weiterhin über Bewerbungen mit Hörproben an hi@musisheans.com. Selbst wenn es dieses Jahr nicht klappen sollte, dann ist das nicht schlimm. Einfach trotzdem bewerben, vielleicht klappts ja dann im nächsten Jahr.
Wie habt ihr vier euch kennengelernt?
Der verbindende Punkt bin tatsächlich ich. Ich kenne Karlijn, weil wir beide zusammen in Dresden an der Hochschule für Musik studiert haben. Genauso Claire, die Französin, die wir noch mit eingeladen haben. Sie hat hier auch eine Weile studiert. Und Christie hab ich kennen gelernt, als ich ein Jahr im Ausland war. Ich hab in Nashville, Tennesee in den USA gewohnt und Christie zu der Zeit auch, so hab ich sie kennengelernt.
Was unterscheidet euch voneinander stilistisch?
Christie ist auf jeden Fall das Energiepaket. Total energetisch, sie klingt wie ein Orchester auf einer Gitarre. Sie hat eher klassische, genauso wie auch modernere Tapping-/Fingerpicking-Techniken, im Style von Michael Hedges. Sie spielt hauptsächlich auf einer Gitarre mit Stahlseiten, singt aber auch eigene Songs.
Karlijns Musik klingt ein bisschen wie Filmmusik. Sie möchte mit ihrer Musik Emotionen ausdrücken, die Worte nicht so gut beschreiben können. Sie spielt hauptsächlich eine Gitarre mit Nylonsaiten und manchmal auch eine ganz tiefe Gitarre, die heißt dann Baritongitarre. Mal gucken, ob sie die mitnimmt auf Tour.
Claire klingt am Klassischsten von uns allen würde ich sagen. Sie spielt auch eine Gitarre mit Nylonsaiten und ist hauptsächlich beeinflusst von traditioneller Folkmusik, voller Ausdruck und Dynamik.
Ich präsentiere Kompositionen und Arrangements von bekannten Stücken (z.B. Madonna) und eigene Songs mit einer folkigen Note.
Habt ihr vor, in Zukunft noch mehr Projekte gemeinsam zu machen?
Also das Netzwerk MusiSHEans gibt es natürlich weiterhin, MusiSHEans sind Karlijn Langendijk, Vivek Advani und ich. Wir wollen weiterhin aktiv sein und Musikerinnen fördern, zum Beispiel wollen wir einen Wettbewerb veranstalten, auf jeden Fall online, vielleicht auch mit einem richtigen Konzert in 2020. Dazu suchen wir gerade einen Partner, einen Gitarrenhersteller, der uns da unter die Arme greift. Die Gewinnerin dieses Wettbewerbes soll, wenn alles klappt, auf der nächsten MusiSHEans-Tour im Februar/März 2021 mit dabei sein. Und ganz wichtig ist bei diesem Wettbewerb, dass es nur um die Musik geht und nicht darum, wie jemand aussieht oder wie sich jemand kleidet. Da haben wir uns eine Lösung ausgedacht, wie es auch wirklich nur darauf ankommt.
Ansonsten sind Karlijn und ich gerade in Dresden und haben hier natürlich auch ab und zu miteinander zu tun und manchmal, wenn ich in den USA bin, treffe ich Christie. Wir haben auch geplant, ein paar gemeinsame Konzerte in Zukunft in den USA zu spielen.
Woher kommt der Name?
Na, es geht um Musik, besonders um die Förderung der, wie wir finden, unterrepräsentierten Frauen. Wir finden nämlich es gibt wahnsinnig viele Frauen da draußen. Nur aus irgendeinem Grund werden die einfach weniger gehört, als die Typen und da wollen wir ein bisschen mithelfen, dass sich das ändert und ein bisschen mehr ins Gleichgewicht kommt.
Was sind die Ziele von MusiSHEans?
Ganz generell geht’s einfach um die Förderung von Musikerinnen*. Wie man das macht, versuchen wir gerade herauszufinden. Zum Beispiel wollen wir die Musik von Musikerinnen*, die wir im Internet finden oder die uns zugespielt wird, auf unseren Kanälen teilen, hauptsächlich auf Facebook und Instagram. Dann wollen wir wirklich handfeste Werte schaffen wie Konzerte, das nachhaltigste Gut, was du als Musiker*in haben kannst, oder Wettbewerbe, ganz klar. Mentoring wollen wir voranbringen, also wie bediene ich Facebook, Social Media, was muss ich als Musiker*in alles machen, wie schreibe ich eine Rechnung, usw. Und wir wollen auch Vorbilder schaffen und zeigen, dass man einfach nur was machen muss mit irgendeiner Idee und dann kann’s schon abgehen. Ganz viel findet ihr dazu hier.
Was hab ich für einen Vorteil, wenn ich Teil eurer Community werde?
Wer uns folgt, erfährt als eine*r der Ersten, wenn Wettbewerbe oder Touren anstehen oder von vielleicht noch total wenig gehörten Musikerinnen*. Wenn wir Musik teilen geht’s uns nicht um Klickzahlen, sondern wir suchen einfach nach Musik, die wir schön finden, und das kann vielleicht jemand sein, den man noch gar nicht kennt.
Wie finanziert ihr eure Tour und eure Plattform?
Wir haben einen Sponsor aus Frankreich. Das ist die Firma Savaraz, die stellen Gitarren- und auch andere Instrumentensaiten her. Dann haben wir noch andere Sponsoren, die uns auf vielfältige Weise unterstützen. Aber Savarez ist besonders hervorzuheben, und die Autovermietung Hertz, die uns kostenfrei ein Tourfahrzeug zur Verfügung stellt. Und natürlich sind die Konzerte nicht alle kostenlos, aus den Ticketverkäufen generieren sich Gagen und die bilden den Hauptanteil der Einnahmen aus dieser Tour.
An was muss deiner Meinung nach gearbeitet werden, um Gleichberechtigung in der Musikbranche zu erreichen?
Ich würde mir wünschen, dass Frauen einfach präsenter sind und vor allem auch in Führungspositionen landen. Zum Beispiel hab ich, als ich in Nashville war und ganz viel Networking gemacht und mich zum Kaffee mit irgendwelchen Leuten getroffen habe, festgestellt, dass eigentlich fast alle, mit denen man sich da trifft, irgendwelche Typen sind, weil alle Label-Bosse, alle Verlagsbosse, alle Big Player in der Musikindustrie irgendwie „Dudes“ sind. Das fiel mir dann erst auf, und ich würde mir wünschen, dass da auch mal ein paar Frauen sind, die entscheiden, wer beim Konzert gebucht wird, welche CD, welche Musik gekauft wird, weil ich das Gefühl hab, dass das ein „Buddy“-Business ist, die Musik, und wenn da ein Typ entscheidet, lädt er halt seine Kumpel-Typen ein. Frauen sollen sich nicht unter Wert verkaufen, total wichtig, und nicht immer denken „Ich schaff das sowieso nicht“, „ich bin noch nicht gut genug“, „ich brauch noch ein Jahr“ und sich vor allem nicht abschrecken lassen, wenn mal was nicht klappt. Und dafür möchten wir einfach auch Vorbilder zeigen und selbst sein, erstmal musikalisch, aber auch musikbranchen-technisch, denn wir hatten MusiSHEans als Idee und haben überlegt „Was machen wir?“ und haben es einfach angepackt und getan. Und das ist vielleicht schon das Geheimnis.
Welchen Rat würdest du jungen Nachwuchs-Musikerinnen mit auf ihren Weg geben?
Wenn du eine Idee hast oder ein Ziel vor Augen, lass dich nicht davon abbringen. Wenn du noch auf dem Weg bist überlege, was du brauchst, um es zu erreichen und dann arbeite daran. Zögere nicht, andere um Hilfe zu bitten (z.B. uns bei MusiSHEans). Die Musikbranche steht dir offen, wenn du nur mit anderen in Kontakt trittst.
Wie kann man euch und die Community unterstützen?
Wenn ihr Musikerinnen* kennt, die großartig sind, dann freuen wir uns über alle möglichen Tipps an hi@musisheans.com, folgt uns auf Facebook, Instagram, Youtube usw. und wir sind offen für weitere Ideen, wie man denn Musikerinnen* noch fördern kann.
Einen schönen Trailer über die MusiSHEans könnt ihr euch hier anschauen.
Tourtermine:
1.11. Osnabrück – Lutherhaus
3.11. Winsen/ Luhe – Marstall
4.11. Rostock – Peter Weiss Haus
6.11. Berlin, Petruskirche *
7.11. Dresden, Dreikönigskirche – Musik Zwischen Den Welten *
8.11. Magdeburg, Moritzhof *
9.11. Leipzig – Moritzbastei
12.11. Nürnberg – Neues Museum
13.11. Linz – Tribüne Linz (AT)
15.11. Bamberg – Neues Palais – Bamberger Gitarrentage
19.11. Tübingen – Deutsch-Amerikanisches Institut
20.11. Grevenbroich – Villa Erckens – Internationale Grevenbroicher Gitarrenwochen
21.11. Kassel – Schlachthof – Saitenzauber Festival
22.11. Maisach – Bräustübl – Beer & Guitar
23.11. Kelkheim – Jazzclub
*mit Claire Besson (FR) anstatt Christie Lenée
Judith Beckedorf
Karlijn Langendijk
Christie Lenée
Claire Besson
(uo/ms/lw/jd)