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Musik als Beruf Vol.3: Musikwissenschaftler*in

Du möchtest die Musik in ihrer ganzen Vielfalt kennen und anhand wissenschaftlicher Grundlagen erforschen? Du möchtest tiefe Einblicke in ihre Geschichte, Theorie und Aufführungspraxis erhalten und die Musik aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten? Dann ist ein Studium der Musikwissenschaft vielleicht das Richtige für dich.

Die Studierenden der Musikwissenschaft lernen z.B. die Grundlagen der Harmonielehre: wie Musikstimmen geführt werden, um ein harmonisches Gesamtbild zu erreichen. Was ist Musik physikalisch gesehen? Wie wirkt sie auf den Menschen? Was macht „schöne Musik“ aus? – sind weitere Fragen, mit denen sich die Musikwissenschaft beschäftigt. „Wir versuchen, sie zum Denken über Musik anzuregen“, sagt Dr. Stefanie Rauch, Akademische Rätin über das Studium am musikwissenschaftlichen Seminar der Uni Detmold. Zum Curriculum gehört natürlich auch, die verschiedenen Epochen und ihre Besonderheiten kennenzulernen. Im Vordergrund steht dabei zumeist die europäische Musik. Beim Musikwissenschaft-Studium steht also nicht das praktische Musizieren im Fokus, sondern die Musiktheorie, -geschichte und -kultur.

Wer Musikwissenschaft studieren möchte, hat die Qual der Wahl: 67 Studiengänge an 38 Hochschulen gibt es in Deutschland. Unsere MELODITA-Redakteurinnen Luna und Zweti stellen euch im Folgenden das Studium am Institut für Musikwissenschaft in Frankfurt vor, wo sie selbst studieren.

Wieso hast du dich für diesen Studiengang entschieden?

Luna: Der Studiengang klang interessant und vielseitig und ich wollte mehr über die musikalischen Zusammenhänge erfahren.

Zweti: Weil die Musik immer ein großer Teil meines Lebens war. Ich wollte schon immer etwas in Richtung Musik studieren, aber ich wollte nicht direkt Musikerin werden. Die Musik sehe ich immer noch eher im Kontext des Alltages und ihre Wirkung auf unsere Psyche bzw. ihre politischen und ästhetischen Botschaften. Ich fand es zum Beispiel immer interessant, wie die Sprache der Musik auf die Gesellschaft, die alten und jungen Menschen bzw. auf die Politik wirkt.

Wie ist das Studium thematisch aufgebaut?

Zu Beginn in den Semestern 1 und 2 lernt man die harmonischen und analytischen Grundlagen, in den folgenden Semestern reicht das Spektrum der angebotenen Seminare von modern über klassisch, bis hin zu philosophischen Ansätzen.

Kannst du Beispiele für Seminartitel nennen?

Luna: Ich habe Seminare über Musik und Widerstand, Balletttanz, Björk, Wagner, Barocktänze, Queere Musik etc. besucht.

Zweti: Konkrete Titel waren beispielsweise „Harmonielehre I/II“, „Tonsatzanalyse“, „Europäische Musikinstrumente bis ca. 1800“, „Fassungen und Bearbeitungen musikalischer Werke“ und „Musik und Experiment im 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart“, „Opera und Film“.

Wie groß ist der Studiengang ungefähr? Sitzt man mit 500 anderen im Hörsaal?

Es gibt drei Arten von Veranstaltungen: Vorlesung, Proseminar und Seminar. Bei den Vorlesungen sitzt man normalerweise in einem großen Saal mit Hunderten anderer Student*innen. In dem (Pro-)Seminar ist es eher kleiner – man sitzt in kleineren Räumen und man kann sich entscheiden, zu welchem Thema man das Proseminar besuchen möchte. Anders als bei der Vorlesung gibt es beim Seminar meistens eine Teilnehmer*innenliste, wo man sich einträgt und dadurch für das gewählte Seminar anmeldet.

Sind die Seminare eher praxis- oder theorieorientiert?

Wenn man sich für den Studiengang „Musikwissenschaft“ an der Universität entscheidet, sollte man damit rechnen, dass es zu 90% um Theorie geht. Praktisch sind vor allem die ersten zwei Module, wo die Notenschrift sowie die Notenanalyse kurz beigebracht werden. Im Modul 7 gibt es auch ein praxisorientiertes Seminar, in dem man sich die verschiedenen Musik- und Kulturbereiche anschaut. Arbeitsbereiche wie Kulturmanagement und Musikvermittlung stehen im Mittelpunkt. In den anderen Modulen gibt es auch Seminare, in denen man Notenanalysen schreiben bzw. musikkritische Texte verfassen muss. Instrumental- oder Gesangsunterricht im praktischen Sinne bietet dieser Studiengang nicht. Es geht eher darum, dass man schon existierende Musikstücke analysiert und zu den bestimmten Themen mithilfe des Literaturverfahrens Hausarbeiten schreibt. Man muss vor allem lernen, die Texte kritisch zu sehen und sich mit einer neuen Problematik auseinanderzusetzen.

Habt ihr auch selbst Musik gemacht im Studium?

Nein. Wenn man aber selbst Musik machen möchte, kann man es gerne machen und sich danach von den Professor*innen korrigieren lassen bzw. sich von ihnen Tipps geben lassen.

Welche Zugangsvoraussetzungen gibt es? Muss man ein Instrument spielen, singen oder Noten lesen können?

Es gibt in Frankfurt keine bestimmten Voraussetzungen dieser Art. Man sollte aber schon einen gewissen Bezug zur Musik haben, und häufig werden Grundlagen bereits in der Schule vermittelt. Es gibt jedoch auch Student*innen, die nicht Noten lesen können und auch kein Instrument spielen. Es werden zwar in den ersten Stunden der Seminare auch Grundlagen vermittelt, allerdings kann ich mir vorstellen, dass das Erlernen der Basics wie Noten lesen zu Stress und Überforderung führen kann.

Lernt man nur etwas über klassische Musik oder Popularmusik oder beides?

Luna: Zu Beginn des Studiums wurde mir das vielfältige Angebot moderner Themen als Besonderheit der Frankfurter Universität beschrieben, was jedoch von den Forschungsschwerpunkten der Dozent*innen und Professor*innen abhängig ist.

Zweti: Je nach Semesterangebot kann man Seminare sowohl über klassische als auch über Popularmusik finden.

Kann man sich spezialisieren, beziehungsweise einen Schwerpunkt setzen?

Im Bachelorstudiengang muss man Seminare mit verschiedenen Themen besuchen und die Möglichkeiten sich zu spezialisieren sind relativ eingeschränkt. Das Optionalmodul (Modul 8) bietet eine breite Themenauswahl, von der man sich ein Seminar aussuchen muss, welches man belegt. Das kann bei der Wahl des Bachelorthemas helfen und als Vertiefungsmodul gesehen werden.

Muss man zusätzlich ein Nebenfach wählen? Mit welchen anderen Fächern kann man es gut kombinieren?

Luna: Ja, ein Nebenfach ist nötig. Häufig wird Musikwissenschaft mit Kunstgeschichte, Germanistik oder Philosophie kombiniert.

Zweti: Außerdem kann man es gut mit Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Erziehungswissenschaften, Ethnologie und Geschichte kombinieren.

Muss man ein Praktikum machen? Wo?

Luna: Ja, ein Praktikum ist vorgesehen, bei dem man aber freie Auswahl hat, in welcher Institution man es absolvieren möchte.

Zweti: Genau, das Praktikum gehört zum Modul 7: Praxisorientierung und ist mit einem Praktikumsbericht abzuschließen. Möglichkeiten für das Praktikum gibt es in Musikstätten, im Rundfunk, in Musik- und Radioredaktionen, Filmmusikprojekten, in den Musikarchiven, in Veranstaltungsorganisationen, bei Konzertplanungen, im Musiktheater oder sogar in Musikprojekten für Kinder in Kitas und an Schulen.

Kann man ein Auslandssemester machen?

Ja, wie bei den anderen Studiengängen gibt es auch für die Musikwissenschaft eine Angebotsliste für Auslandssemeser (ERASMUS). Partneruniversitäten der Goethe-Uni gibt es zum Beispiel in Italien, Spanien, Österreich, Frankreich, Rumänien und Norwegen.

Welche anschließenden Masterstudiengänge gibt es?

Nach dem Bachelor of Arts Musikwissenschaft gibt es viele anschließende Möglichkeiten für ein Folgestudium, zum Beispiel: Musikwissenschaft (MA), Musikethnologie, Musikpädagogik, Musik- und Tanzwissenschaften, Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Radiojournalismus, Musik und Medien, Komposition, Kunstmusik, Music Management, Musiktherapie, (Musiktheater-)Regie, Filmmusik, Alte Musik, Analyse und Vermittlung, Gesang, Instrument, Contemporary Art Performance, Improvisation, Ethnomusikologie, Kirchenmusik, Gehörbildung, Historische Aufführungspraxis, Interpretationspraxis, Jazz/Pop,Kammermusik, etc.

Welche Berufsperspektiven gibt es?

Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, da man in viele unterschiedliche Bereiche gehen kann. Diese reichen von journalistischer Arbeit über digitale Medien bis hin zur Dramaturgie. Je nach Masterstudiengang eröffnen sich mehr bzw. spezifischere Berufsperspektiven. Eine Herausforderung ist es aber schon, beruflich als Musikwissenschaftler*in zu starten, weil man sich sein Profil selbst erstellen muss. Es gibt „zu viele“ Möglichkeiten, aber auch eingeschränkte Zugänge. Meiner Meinung nach muss man sich einfach früh Gedanken machen, welches Ziel genau man mit Musikwissenschaft erreichen möchte und so viele Praktika absolvieren bzw. so viele Kontakte knüpfen wie möglich während seiner Studienzeit.

Was hat dir am besten gefallen?

Luna: Das vielfältige Seminarangebot und die (teilweise recht jungen oder modernen) Professor*innen und Dozent*innen, die eine gute Beziehung zu den Studierenden herstellen konnten und teilweise auch im Stande waren, recht trockene Themen gut und humorvoll zu vermitteln.

Zweti: Mir hat am Studium besonders gefallen, dass ich einen großen Überblick bekommen habe, wo die Musik noch zu finden ist, außer beim Gesang, dem Instrument spielen oder dem Tanz. Im Studium wird beigebracht, was die Musik beeinflussen kann, wo sie außer in unserem Alltag zu finden ist oder womit sich ihre Wissenschaft beschäftigt.

Hat das Studium deine Erwartungen erfüllt? Falls nein, warum nicht?

Luna: Das Studium hat im Großteil meinen Erwartungen entsprochen, allerdings ist mir die häufig unmotivierte und lustlose Stimmung, die in vielen Seminaren herrscht, nicht entgangen.

Zweti: Nach dem Abitur hatte ich keine Ahnung was „Musikwissenschaften“ als Studienfach bedeutet, konnte mir nur die üblichen Sachen vorstellen, die ich oben auch erwähnt habe. Das Studium hat nicht alle meinen Erwartungen erfüllt, weil ich mir ein bisschen mehr Praxis gewünscht habe. Trotzdem war ich von vielen für mich neuen Musikrichtungen und Musikgebieten überrascht, die mein Interesse während des Studiums geweckt haben. Ich habe zum Beispiel am Anfang gar nicht damit gerechnet, dass ich mich später mit Journalismus, Film oder Tanz beschäftigen kann. Ich dachte, dass man sie nur als einzelne Studiengänge machen kann. Und bei diesem Punkt war ich wieder erleichtert.

Würdest du den Studiengang weiterempfehlen? Warum/Warum nicht?

Luna: Grundsätzlich würde ich den Studiengang weiterempfehlen, wenn man sich gerne mit Musik beschäftigt und in wenigen Jahren kurze Einblicke in die unterschiedlichen Musikepochen und Stile erhalten möchte. Es störte mich jedoch die Lernatmosphäre und auch die Unzuverlässigkeit einiger Professor*innen und Dozent*innen.

Zweti: Alles in allem würde ich den Studiengang „Musikwissenschaft“ weiterempfehlen, vor allem, weil er meiner Meinung nach von den meisten unterschätzt wird. Das Wichtigste bleibt, dass man sich einfach bewusst wird und sich gut informieren muss, worum es hier überhaupt geht. Ich persönlich war erstmal damit zufrieden, dass mein Studium mit Musik zu tun hat. Später kam aber die für mich unerwartete Frage: „Was mache ich eigentlich damit?“. Also meine letzten Empfehlungen: Erstens, überlegt euch gut, was für einen Sinn die Musik für euch macht und welche Rolle sie in eurem Leben spielt. Zweitens, hört einfach auf euer Bauchgefühl, denn wer Musik liebt, der kann mit der Entscheidung für die Musikwissenschaften nichts falsch machen.

(m/lw/jd/ms/jg/uo)

 

INFOS ZUM STUDIUM

Wo: Institut für Musikwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt (FB 09)
Wann: Winter- oder Sommersemester (Nächster Anmeldungsschluss: 16.01.2020)
Wie lange: in der Regel drei Jahre, 6 Semester, 9 Pflichtmodule inkl. Bachelorarbeit (120 CP), dazu muss ein Nebenfach im Umfang von 60 CP gewählt werden
Voraussetzungen: Abitur, Englisch und eine weitere Fremdsprache

Inhalt
Methodik und musikalische Propädeutik | Analyse | Historiographie/ Musikgeschichte | Musikkulturen: Lokal/ Global | Interpretation/ Performance | Mediale Kontexte | Praxisorientierung: Musikstadt Frankfurt | Optionalbereich | Abschluss

Berufsfelder
Unis/Hochschulen (Hochschullehrer*in/Musikforschung), Editions- und Forschungsprojekte (Musikbibliothekar*in), Bibliotheken/Archive (Journalist*in/Kritiker*in), Opernhäuser (Musikdramaturg*in), Musikverlage (Editor*in), GEMA (Lektor*in), Museen (Kurator*in), CD-Labels (Musikredakteur*in), Medien (Orchestermanager*in), Konzertveranstalter (Artist Manager*in), Künstleragentur (Musikreferent*in), öffentlicher Kulturbetrieb (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit), u.a. (Quelle: Ludwig-Maximilans-Universität München)

Wie ein Studium der Musikwissenschaft aussehen kann, berichten Dozent*innen und Student*innen der Uni Paderborn & Detmold im Trailer.

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