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Tonia Reeh – „Fight Of The Stupid“

Für dieses Album braucht man starke Nerven. Nicht nur der Titel „Fight Of The Stupid“ des zweiten Soloalbums der Berlinerin Tonia Reeh ist als eine Kampfansage zu verstehen. Reeh begann ihre musikalische Karriere als Gitarristin und Sängerin bei der Indie-Band Masonne und war danach mit dem Elektro-Noise-Projekt Monotekktoni unterwegs, in dem sie sich bereits mit verzerrten Klängen und disharmonischem Gesang ausleben konnte. Jetzt ist Tonia Reeh zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. Sie ist ausgebildete Pianistin und hat eine klassische Gesangsausbildung, beide Eltern sind ebenso OpernsängerInnen. Als Solokünstlerin hat Reeh ihren Sound auf Gesang und Klavier reduziert, trotzdem hat sie an Intensität nichts verloren. Sie selbst sagt, sie wolle kein technisches Gedöns mehr und nicht mehr von Maschinen abhängig sein. Die braucht sie auch nicht, denn das Album ist voll von Emotionen und abrupten Stimm- und Stimmungswechseln. Beim Hören wird man in Tonia Reehs komplexe Welt hineingezogen, die zwischen Manie, Aggression und Depression hin und her kippt.

Foto: Martin Gottschalk

Auch Reehs Texte handeln von ihrer Innenwelt, ihrer Wut und Traurigkeit. Dabei beschäftigt sie sich in „The Defeated Woman“ und „Stolen“ mit ihrer Mutterrolle und den gesellschaftlichen Erwartungen, die damit verknüpft sind und denen sie nicht entsprechen kann und will. Der Sound des Albums wird manchen ein bisschen zu durchgeknallt und anstrengend erscheinen, aber Reehs eigenwillige Kompositionen ergeben am Ende des Albums durchaus einen Sinn. Die Grundstimmung des Albums ist düster, aber energetisch und direkt. In „Non Believer“ erinnert Reeh mit ihrem Vortrag, der irgendwo zwischen szenischem Erzählstil und Gekreische liegt, in ihrer Theatralik an Amanda Palmer und ihre Dresden Dolls. Der Stil des Albums ist vielfältig und lässt sich in keine Schublade pressen, es finden sich Anteile von Punk und Oper, Folk-Rock und Kabarett. Manche Soundeffekte, die einen bei anderer Musik an Meeresrauschen erinnern würden, erwecken hier eher die Assoziation von zerfetzten Mülltüten. Allerdings wirkt das Ganze zu keiner Zeit aufgesetzt oder durchchoreographiert, sondern bleibt in seiner ausdrucksstarken Düsternis stets glaubhaft und authentisch. Das Album schließt mit dem Track „The Accused“, das in seiner klanglichen Heiterkeit aus dem Rahmen zu fallen scheint, in dem sie aber darum fleht, dass alles nur ein Alptraum gewesen ist, aus dem sie aufgeweckt werden will: „I hope someone’s just kidding and I’m dreaming a very bad dream / Can you please wake me and tell me this mess is not real?“. Wenn sich die eigene Stimmung also gerade nicht im Bereich von Sonnenschein und Hundewelpen befindet, ist „Fight Of The Stupid“ ein grandioses und kraftvolles Album, das die HörerInnen mit seiner Düsternis und Energie fesselt und in seinen Bann zieht.

CD, 2013, Clouds Hill

http://toniareeh.de

(the)